Dieses Buch wird wirklich ein seltsames Buch. Scheinbar im Außen ohne großen Aktionen und doch spannend und voller Geschehnisse, die aber meist auf einer anderen Ebene stattfinden – nämlich für Dominic zusammen mit Fuchsvater. Das Kapitel mit den Kindheitserinnerungen ist beendet und ich stelle fest, dass in dem Buch eine Reihe harter Brocken für so manchen Leser sein wird. Vielleicht ist es aber auch genau das, was einige Menschen benötigen: nämlich eine Art Bestätigung für etwas, das sie selbst schon gespürt haben. Über den Kindheitserinnerungen wird Dominic klar, dass er als Kind Feen, Elfen und Zwerge aber auch Engel gesehen hat. Er fragt Fuchsvater, ob der auch da war und der sagt: Ja, aber in anderer Gestalt. Da versteht Dominic: immer wenn er dachte, ein Engel habe ihn gerettet, dann war das Fuchsvater. Aber Dominic kommt gar nicht auf die Idee, Fuchsvater zu fragen, ob der ein Engel sei. Er spürt, dass dem wohl nicht so ist. Hat nicht der Rote irgendwann einmal gesagt: wir erscheinen in der Gestalt, die ihr wünscht? Dann gleiten ganz viele Szenen an Dominic vorbei, und er erkennt, wie oft Fuchsvater ihm geholfen hat. Seine Schlussfolgerung: Das war ja richtig viel Arbeit für dich. Doch der Rote lacht nur. Und dann kommt unweigerlich die Frage, warum er ihm dieses Mal nicht geholfen habe. Fuchsvater erklärt ihm, dass der Sturz viel schlimmer hätte ausgehen können, und dass das andere eine Abmachung zwischen ihnen beiden gewesen sei. Irgendwann, als ich mir das Geschriebene wieder einmal durchlas, tauchte die Frage auf: spricht und denkt ein Vierzehnjähriger wirklich so? Das ist natürlich eine Frage meines Verstandes. Es hat auch mal ein Leser meiner Geschichten eine solche Frage gestellt, oder vielmehr bemerkt, ein Kind spreche so nicht. Welche Arroganz. Woher wollen wir das wissen? Vor einiger Zeit telefonierte ich mit einer Bekannten, sie hat zwei Kinder, der Junge ist sechs. Während des Telefonats erzählte er etwas seiner Mutter, voller Begeisterung. Und wenn ich nicht gewusst hätte, dass er erst sechs ist, hätte ich geglaubt, ein junger Erwachsener würde reden. Und ich erinnere mich an meine Gedanken aus jener Zeit. Die waren nicht viel anders als die von Dominic. Und wenn ich mir meine Tagebücher aus der späten Schulzeit ansehe, dann sind auch jene Texte ähnlich. Und im Deutsch- und Geschichtsunterricht gab ich sogar solche Kommentare ab. Ich hatte nämlich das große Glück, auf einer Schule zu sein, die zwar streng, in der aber Diskutieren erwünscht war, dies vor allem in Deutsch und Geschichte. Und wieder kommt mir der Gedanke, dass genau aus diesem Grund mein Roman wichtig sein könnte, nämlich für die Kinder und Jugendlichen, die eben nicht auf der für normal gehaltenen Ebene denken und reden. Und vielleicht auch für die Erwachsenen, die wie ich in ihrer Jugend gerne genau so etwas gelesen hätten. Und gerade kam mir so die Idee, dass ich mir im Nachhinein genau das Buch schreibe, dass ich mir damals gewünscht, wenn ich denn diesen Wunsch zugelassen hätte oder mir der Problematik voll bewusst gewesen wäre. Somit mache ich mir auch selbst ein Geschenk – wie ich gerade feststelle. Und da es Zeit ja nicht gibt, heile ich damit auch die Wunden, die ich damals empfunden habe, weil ich mir einbildete, es verstünde mich niemand.
Hm, da stellte ich mir noch die Frage ob so ein Vierzehnjähriger redet und dann stellt er Fragen, bei denen ich lachen musste. Nachdem er sich so einiges angesehen hat, fragt er Fuchsvater: „Sag mal, sind alle Eltern so seltsam?“ Der lacht natürlich erst einmal und fragt dann zurück, ob er die Erwachsenen seltsam findet oder die Reaktion der Kinder. Nach einigem hin und her, kommt dann von Dominic: „Du willst damit sagen, dass es immer irgendeinen Haken gibt.“ Und Fuchsvaters Antwort lautet: „Wenn du einen Haken sehen willst. Du kannst dir aber auch die andere Seite ansehen. Oder ganz neutral beides.“ Oh wie wahr! Das Ergebnis dieser Diskussion ist eine vierte Tür, die Dominic kennen lernt. Dahinter brennt ein Feuer. Und er lernt die transformierende Kraft des Feuers kennen. Und erhält von Fuchsvater den Hinweis, er solle sich mal mit dem Phönix beschäftigen. Und dann fragt der Junge, ob er nicht seine Verbände verbrennen könne. Der Rote meint: „Doch, kannst du. Aber dann wundere dich nicht, wenn seltsame Dinge geschehen.“ Diese seltsamen Dinge, wie er das genannt hat, werden am nächsten Tag deutlicher. Da ist Dominic beim Arzt und der will es nicht glauben, denn an den Rippen ist nichts, aber auch gar nichts mehr von den Brüchen zu sehen. Dominic amüsiert das nur, den Arzt weniger. Aber abends taucht dann unweigerlich die Frage auf, warum mit seinem Schienbein nicht das Gleiche geschehen ist. Doch der Rote erklärt, dass er ja wieder in die Schule gemusst hätte, wenn alles heil gewesen wäre. Aber es gäbe noch etwas mit Sebastian zu erledigen. So bekommt Dominic eine Ahnung davon, wie es funktioniert. Er begreift, dass Wünsche in Erfüllung gehen, auch dann, wenn man sich des Wunsches nicht bewusst war. Seine Schlussfolgerung: „Huch, da sollte ich aber Acht geben, was ich denke.“ Fuchsvater erklärt ihm aber auch, dass sie sich gegenseitig helfen: „Es ist immer ein Geben und Nehmen. Aber letztendlich ist es sogar noch mehr als das. Wir sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Das ist einfach so. Ich sehe Dinge, die du nicht sehen kannst. Und du tust Dinge, die ich nicht tun kann.“ Kurz bevor Dominic einschläft, kommen noch Sätze von Fuchsvater, die mich sehr bewegten, Dominic hatte gerade erfahren, dass er sich an viele Träume nicht erinnerte, weil er Angst davor hatte. Und er meint, dass sei ja nicht gerade mutig von ihm gewesen. Darauf Fuchsvater: „Aber mein Lieber, was erwartest du? Es gibt Menschen, die bis an ihr Lebensende diesen Mut nicht finden?“ „Und was machen die?“ „Vielleicht gelingt es beim nächsten Versuch, oder beim übernächsten – oder wann auch immer. Wir haben schließlich alle Zeit der Welt.“ „Wer wir?“ „Wir Seelen“, sagt Fuchsvater ganz leise. Doch Dominic ist schon eingeschlafen. Und mir wurde es wieder deutlich, dass dies zwar alles mir schon bekannt ist, was ich da schreibe. Aber manches wird zum ersten Mal formuliert, anderes erhält plötzlich eine ganz einfache Form, oder zeigt etwas mir Bekanntes aus einem neuen Blickwinkel. Und über all dem wurde mir klar, warum ich gar keine Lust mehr habe zu channeln. Warum sollte ich auch? Das, woran ich während des Romansschreibens komme, erklärt alles so viel leichter, so viel eleganter. Und es macht mir so viel mehr Freude. Und dann wurde mir noch etwas klar. Am Wochenende hatte ich wieder ein Seminar. Da lief so manches ab, was ich mit dem Wissen und dem Geschriebnen aus diesem Roman mir so viel leichter und tiefer erklären konnte. Fast schien es mir, als ob ich genau deshalb an genau diesem Kapitel gerade geschrieben hatte. Das ist sowieso etwas, dass ich schon vorher festgestellt hatte. Das Timing von Kapiteln, die ich gerade schreibe, und dem, was in meinem Leben abläuft, oder um mich herum, passt so etwas von gut zusammen, das hätte ich auf der rein menschlichen Ebene nie so planen können. Und das begeistert mich im Moment so sehr, dass es die Lust am Schreiben noch mal vermehrt. Und um dem Ganzen noch eine Krone aufzusetzen, geschah das Folgende. Das Thema des Wochenendseminars hieß: Spirituelle Ahnen, Wissen aus alter Zeit. Wie so oft, bin ich auch dieses Mal bei manchen Reisen mitgereist. Als die Frage kam, ob es auch einen Ausdruck oder Blutsahnen von uns gebe, der uns unterstützen könne, sah ich ein wundervolles Bild. Ein Ahne von mir, ein schon älterer Mann, der mit Leder arbeitete, hatte Kinder aus der Nachbarschaft um sich versammelt. Sie saßen erwartungsvoll vor ihm, und er erzählte ihnen Märchen und Geschichten. Er tat es, einfach weil es ihm eine unendliche Freude bereitete. Und die Kinder liebten es ebenso. Ich spüre ihn nun die ganze Zeit in meiner Nähe.
Inzwischen erstreckt sich die Auswirkung des Schreibens auch auf meine Träume. Oder anders formuliert: das, was ich schreibe, hilft mir, meine Träume besser zu verstehen. Der schönste von ihnen hatte direkt mit Buchstaben und Schreiben zu tun. Da sah ich einen wundervollen, dunklen Sternenhimmel und daran tanzten glänzende Buchstaben, Wörter und Sätze. Ich holte sie zu mir herab – es kam mir vor, als ob ich etwas von einem Baum pflücke – und diese wurden in meiner Hand lebendig. Ja, genau so kommt mir das Schreiben vor. Und der Roman fließt so leicht, dass ich manches Mal ganz bewusst Pause mache, um einmal aufzustehen, die Hand auszuschütteln oder etwas zu trinken. Inzwischen ist der Diener erkrankt und Dominic erfährt noch mehr über die Familie, sowohl von seinem Vater und seiner Großmutter als auch von Fuchsvater. Es begeistert ihn immer mehr, wie leicht und elegant das Verwandeln sein kann, wenn man es so zulässt. Er lernt, dass die Räume hinter den Türen nicht voneinander getrennt sind und dass er nicht unbedingt bewusst dorthin gehen muss. Ja, da erlebt er diese Welten sogar am Morgen, als er sich fertig macht und wundert sich – denn er ist ja nicht in seinem Traumkörper, wie er meint. Und wieder spiegeln sich darin meine eigenen Erfahrungen. Allerdings geschieht dies alles bei Dominic wesentlich schneller als bei mir. Noch etwas Weiteres ist mir aufgefallen. Da werden Dinge vorgestellt, ohne dass die üblichen Begriffe benutzt werden. Es kommen beispielsweise Hinweise, die für mich zeigen, dass von früheren – oder anderen – Inkarnationen die Rede ist. Doch es wird weder Inkarnation, noch früheres Leben oder etwas Ähnliches gesagt. Es kommt mir wie die Bilder in manchen schamanischen Reisen vor, die ich entweder so schildern kann, wie sie sind, oder aber auch interpretieren – was ich normalerweise versuche zu vermeiden. Ich möchte niemandem das wundervolle Erlebnis nehmen, wenn er ein Bild versteht – sei es nun eines aus meiner schamanischen Reise oder eines in diesem Roman. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Schreiben dieses Romans auch Einfluss auf mein alltägliches Leben nimmt. Es kann ja sein, dass ich mich täusche, dass alles nur Zufall ist – aber was ist schon Zufall – aber gestern fielen mir zwei Dinge auf. Das eine zeigte mir, wie leicht auch mein Leben fließen kann, und zwar in Form von unerwarteten Geschenken. Letzte Woche stellte ich fest, dass der Duschkopf in meinem Badezimmer undicht ist und ich mir somit einen neuen kaufen sollte. Das erzählte ich einem Nachbarn, der regelmäßig zur mir zur Massage kommt. Er meinte: ‚das kann ich dir machen und ich habe noch einen’. Auf meine Frage, was er dafür bekäme, meinte er: ‚nichts, das schenke ich dir.’ Gestern kam eine Patientin, die ebenfalls regelmäßig kommt. Der erzählte ich, dass ich heute in die Stadt wollte und mir unter anderem neue Kerzenanzünder kaufen müsse, weil die alten sich nicht mehr nachfüllen lassen. Zwei Stunden, nachdem sie gegangen war, klingelte das Telefon, sie war am Apparat: sie habe noch welche, und da sie als Raucherin Feuerzeuge besitze, benötige sie die Kerzenanzünder nicht. Sie würde mir die in den nächsten Tagen in den Briefkasten werfen. Zusätzlich zeigen sich aber auch subtilere Wirkungen, und auch hier kann ich natürlich den Zusammenhang nicht beweisen, ich fühle ihn nur. Da rief gestern eine Frau an, die eigentlich für eine schamanische Sitzung zu mir kommen wollte. Ihre Fragestellungen waren recht seltsam – ich formuliere das jetzt einmal so. Und es hörte sich ganz danach an, dass sie von einem Schamanen erwartete, dass er die Macht hat, etwas von ihr Ungewolltes wegzumachen. Aber sie wollte bitte keinen Hinweis, es könne etwas mit ihr zu tun haben. Ich erklärte ihr, dass es immer auch etwas mit uns selbst zu tun hat – langer Rede kurzer Sinn: sie stellte fest, dass wir wohl nicht zusammenpassen würden und dann müsse sie eben doch selbst schauen. Ich kenne Leute, die sagen: ich will nur solche Klienten, die bereit sind mitzuarbeiten oder die ein bestimmtes Level erreicht haben. Die Formulierung hat mir nie gefallen. Ich hatte für mich einfach nur beschlossen, dass alles in Ordnung sei, selbst wenn jemand seine Macht abgeben wolle. Allerdings würde ich sie nicht annehmen, da müsse er sich schon jemand anders suchen. Na, wenn das nicht gestern Wirkung gezeigt hat. Was das alles mit meinem neuen Roman zu tun hat? Ich sagte doch: ich weiß es nicht, ich spüre es nur.
Sonntag, 06.02.2011
Inzwischen kommt mir alles etwas ruhiger vor – doch es ist nur das Gefühl, denn wenn ich mir hinterher den Text durchlese, den ich geschrieben habe, so ist das mindestens genauso viel, wie an den Tagen zuvor, und es bewegt sich auch genauso viel. Mir will scheinen, dass ich mich nun daran gewöhnt habe: an den seltsamen Stoff, an das Tempo des Schreibens aber auch an das Tempo im Roman. Aber immer noch ist es so, dass ich mir einbilde, ich wüsste, was kommt, und dann erlebe ich doch wieder eine Überraschung. Nun ist mittlerweile der Diener erkrankt – das hatte ich schon vorher geahnt – doch die Schwere der Krankheit überraschte mich ebenso wie die Familie. Und auch was sich dann noch so meldete. Dann kam allerdings eine weitere Tür, das Dahinter hatte ich schon ganz zu Anfang wahrgenommen, ich hatte mich da sogar gefragt, wie ich denn das beschreiben sollte. Und nun ist es einfacher und doch vielfältiger als ich dachte. Diese neue Tür führt nämlich in Parallelwelten. Nein, es geht eigentlich nicht, dies zu beschreiben, trotzdem kommt mit den Sätzen das rüber, was ich wie in einer schamanischen Reise wahrnahm. Und so will ich wieder einmal zitieren, denn wenn ich das auch noch beschreiben wollte, würde es wirklich zu kompliziert.
Die Türe öffnete sich wie von Geisterhand und Dominic fand sich in einer eigentümlichen Welt wieder. Ein wenig erinnerte sie ihn an die virtuellen Welten der Computerspiele. Doch der Unterschied bestand darin, dass er sich dies nicht an einem Bildschirm ansah, sondern sich mittendrin befand. Allerdings war es auch nicht so, wie er es aus der stofflichen Welt gewöhnt war. In einem Raum, der schwarz-weiß wirkte, gleichzeitig aber auch alle Farben enthielt, weil Weiß und Schwarz wie Regenbögen schillerten, war ein Wirrwarr an Wegen und Fäden. Manche kreuzten sich, und dort bildeten sich mal kleinere und mal größere Knoten. Sobald er sich einem Faden näherte, nahm der Gestalt an und schickte ihm Bilder, wie in einem Kino. Die Fäden entpuppten sich als Wege und Möglichkeiten, die Knotenpunkte waren Stellen, an denen er wählen konnte, welchen Faden und welchen Weg er verfolgen wollte. Und anders als er es kannte, konnte er diese Fäden und Wege wieder zurückgehen, dann war es, als liefe ein Film rückwärts, er gelangte an eine Knotenstelle und konnte einen anderen Faden wählen. Dies alles schien sich in einem Raum zu befinden. Doch Dominic stellte fest, dass es anscheinend mehr als nur die ihm bekannten drei Dimensionen gab. Denn wenn er einen Weg zurückging, kam er nicht unweigerlich an die gleiche Stelle zurück, von der er ausgegangen war. Manches Mal fand er sich in einem gänzlich neuen Film wieder. Zu Beginn hatten ihn diese Bilder so fasziniert, dass er nicht darauf achtete, wo er hinging, oder was genau er gerade betrachtete. Es war tatsächlich wie eines dieser Spiele, das einen immer tiefer in eine faszinierende, unbekannte Welt lockt. Irgendwann wurde er sich bewusst, dass es einen Grund gab, warum er hier war. „Fuchsvater, wie finde ich hier je wieder hinaus. Und wie finde ich das, was ich mir eigentlich ansehen wollte?“ „Durch deine Entscheidung.“
Es war wieder, wie ich es jetzt schon ein paar Mal erlebt hatte. Ich sah nicht etwas, das ich dann beschrieb, sondern ich schrieb einfach und mit dem erneuten Lesen sah ich, und es war genau das, was ich ganz am Anfang erlebt hatte, noch ehe ich mit dem Schreiben des Romans begonnen hatte. Hatte ich damals in die Zukunft gesehen oder sah ich jetzt in die Vergangenheit? Alles schien und scheint sich zu verwischen. Das ist für mich immer noch faszinierend. Ich fühle fast so etwas wie Bedauern, wenn mir klar wird, dass irgendwann der Roman fertig ist. Andererseits weiß ich inzwischen, dass nach jedem Ende ein neuer Anfang ist, heißt ein neuer Roman. Und witzigerweise ist genau dies (jedes Ende ist ein neuer Anfang) auch der Titel des nächsten Kapitels.
Da glaubte ich, es würde ruhiger, für mich aber auch für Dominic. Im Schloss zeigen sich Veränderungen, einfach durch die Tatsache bedingt, dass der alte Diener nicht mehr da ist. Das Leben ist leichter geworden, wie Dominic feststellt. Und ich fragte mich schon, wo die Spannung bliebe. Ich ahnte ja das Ende, wusste aber auch, dass der Junge noch zwei Türen vor sich hat und auch noch so einige Entdeckungen. Und dann kam die nächste Überraschung. Ein gemeinsamer Ritt mit dem Vater und dem Pferdepfleger, die Stute des Vaters scheut und wirft ihn fast ab. Nein, der Vater baut nicht auch noch einen Unfall, auch wenn ich zuerst glaubte, dass es dahin führen würde. Er erkennt, dass die Stute einen Grund gehabt haben musste. Dominic, der die letzten Wochen wie in einer Art Kokon gelebt hat, wird in den normalen Alltag zurück geworfen. Aber er stellt sich mutig dieser unangenehmen Seite, er bittet sogar den Vater, ihm zu sagen, was passiert ist. Ich blättere oft, wenn ich schreibe oder wieder mit schreiben anfange, zurück und lese, was ich vorher geschrieben habe. Dieses Mal habe ich sogar bis ganz zum Anfang geblättert, aus keinem besonderen Grund. Dabei fiel mir auf, dass der Junge nun, gegen Ende des Buches, ganz anders redet und sich anders verhält. Und man beachte, im Roman ist mal gerade etwas mehr als ein Monat vergangen. In dem Moment wurde mir so richtig bewusst, welche Veränderungen der Unfall und die Begegnung mit Fuchsvater bei Dominic bewirkt haben. Ich hätte es nie so gut planen können. Natürlich hätte ich mir überlegen können, dass er nun anders reden, anders reagieren muss. Irgendwo in meinem Hinterkopf war das sicherlich auch präsent. Aber es erzwingen? Das hätte nie funktioniert. Im nächsten Kapitel lernt dann Dominic endlich die vorletzte Tür kennen. Auch diese „Arbeit“ läuft inzwischen ganz anders ab als am Anfang. Dieses Mal geht es um die Zukunft – Fuchsvater würde nun fragen: ‚welche Zukunft’. Und so ist es auch nicht eine, sondern Dominic sieht sich mehrere an und wundert sich am Anfang, dass alles so viel undeutlicher und nebliger ist als im Raum der Vergangenheit. Auch dafür hat Fuchsvater eine Erklärung: ‚Weil es für dich noch nicht stattgefunden hat.’ Und dann will Dominic endlich wissen, was es mit dem Autounfall seiner Mutter auf sich hatte. Er sieht in einem lichten Moment, dass genau das die größte Wunde seines Vaters ist. Er gleitet wieder in den Raum der Vergangenheit, und erkennt alles, dieses Mal nutzt er aber auch gleich das Feuer und schickt seinem Vater Heilung und kann sich endlich mit seiner Mutter versöhnen. Als ich mit diesem Kapitel fertig war, wurde mir bewusst, dass Dominic zum ersten Mal gleich mehrere Arbeiten hintereinander gemacht hatte. Und vieles auch nutzte, als hätte er es schon immer getan.
Ich hatte sicherlich mehrere Gründe, diesen Blog zu schreiben. Zu Beginn war es der Wunsch, die Leser am Prozess des Schreibens teilhaben zu lassen. Für mich war es gleichzeitig eine Möglichkeit, noch einmal aus der zeitlichen Entfernung zu betrachten, wie denn einzelne Werke entstanden sind. Bei diesem Roman sollte es anders sein, da wollte ich während des Prozesses festhalten, was mich bewegt, wie sich die Dinge fügen. Und nun ist noch eine ganz andere Erkenntnis hinzugekommen. Entstanden aus Überlegungen, die ich an ganz anderer Stelle im Austausch mit Menschen anstellte. Da wurde mir klar, dass ich so vieles viel leichter umsetzen kann, als manche andere Menschen. Ich stellte fest, dass es in meinem Leben so viel weniger dramatisch abläuft, als bei anderen. Natürlich hat das auch etwas damit zu tun, was ich für mich getan habe, was ich an Mustern gelöst habe. Was mir aber bis zu dem Zeitpunkt nicht bewusst war, ist folgendes: Ich lebe manches in meinen Romanen aus, Dinge, die andere in ihrem Leben ausprobieren oder glauben ausprobieren zu müssen, die lasse ich in meinen Geschichten geschehen. Da ich den Text fließen lasse, erhalte ich häufig Hinweise, die nicht nur dem Fortlauf und der Entwicklung des Romans dienen, sondern auch mir Ursula. Wenn andere Menschen irgendetwas Dummes anstellen, einfach nur, weil es ihnen langweilig ist, so bewahrt mich davor die Tatsache, dass mich meine Romane und Geschichten ständig in Atem halten. Ich lerne aus ihnen, finde Erkenntnisse und Weisheiten. Und jetzt muss ich tatsächlich an eine Romanfigur von mir denken: Robin, ein Maler. Er hat festgestellt, dass er mit dem Moment weniger Alpträume hatte, da er endlich in der Lage war, die Bilder in seinem Kopf auf die Leinwand zu bringen. Nun habe ich zwar nie unter Alpträumen gelitten, aber sehr wohl früher tausende von Fragen im Kopf gehabt. Mit dem Bannen der Texte auf Papier ist mein Leben einfach leichter, und beschwingter geworden.
Vorgestern, am 14.02. genau auf Valentin ist der Roman fertig geworden. Auch gegen Ende drängte es immer weiter und immer schneller zu Papier. Als ich an der letzten Seite angekommen war, stockte ich für einen kurzen Moment, fragte mich, ob noch etwas fehle, und dann kam das eindeutige Signal: nein, es ist alles in Ordnung. Alles, was noch nicht ausgesprochen worden ist, bleibt der Phantasie des Lesers überlassen. Als ich dann gestern den Roman noch einmal ganz las – am Stück von Anfang bis Ende – wurde mir klar: ja, genau so musste er enden. Das erzähle ich jetzt hier nicht, denn ich möchte dem zukünftigen Leser nicht die ganze Spannung nehmen. Nur so viel noch zum Inhalt: natürlich öffnet Dominic auch die letzte, die siebte Tür, das gibt dann noch mal eine kleine Überraschung. Ich hatte vorher schon geahnt, was sich dahinter versteckt, aber wie es sich zeigte, das erstaunte mich dann doch ein bisschen. Hier an dieser Stelle möchte ich lieber Revue passieren lassen, was dieser Roman mit mir machte. Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, ich schreibe nicht für Erwachsene, aber auch nicht für Kinder. Ich schreibe auch nicht für die Pubertierenden, so wie sie angeblich normal sind. Dieser Roman greift Probleme, Gedanken und Gefühle auf, die mich in dem Alter von Dominic – und vielleicht ein bisschen später noch – bewegt haben. Ich hatte damals niemanden, mit dem ich darüber hätte reden können. Auch bei mir waren es Krankheiten, die mich dazu brachten, zuerst die meiner Mutter und dann meine eigene. Aber in diesem Roman findet auch noch etwas anderes seinen Niederschlag. In den früheren Stammeskulturen war es üblich, die Jugendlichen – Mädchen wie Jungen – in einem bestimmten Alter in die Erwachsenenwelt aufzunehmen. Das war meistens mit Prüfungen, Initiationen und Ritualen verbunden. Unsere Gesellschaft kennt das so nicht mehr. Dominic erlebt es – aber auf einer anderen Ebene. Es mag Bücher geben, in denen davon berichtet wird, vielleicht sogar solche, die beschreiben, wie man das heute machen könnte. Das sind dann eher Ratgeber oder solche Bücher, die von echten Erfahrungen berichten. Mein Roman geht anders vor, es schildert genau das, ohne es groß zu erwähnen. Nur einmal, ziemlich am Anfang, meint Sven – das ist Dominics Freund, dessen Tante schamanisch arbeitet –, dass seine Tante ihm so etwas erzählt habe. Das bleibt der einzige Hinweis. Und damit wurde mir sehr viel klarer, was meine Romane wollen und sollen. Nämlich wie Ratgeber wirken ohne solche zu sein. So wie wir im Leben viel überzeugender sind, wenn wir Vorbild sind – wofür auch immer – so ist das auch mit Büchern, habe ich das Gefühl. Und dafür ist es sogar gut, dass ich nicht vorher weiß, worum es in dem Buch letztendlich geht. Es reicht aus, wenn mir das bewusst wird, wenn ich das Werk beendet habe. Und nachdem mir das alles klar geworden war, erkannte ich auf einmal, warum mein Roman: Die Sache mit dem Manuskript nicht weitergehen wollte. Da hatte ich mir eingebildet, ich wüsste, worum es in dem Roman geht. Nun, weit gefehlt. Jetzt bekomme ich eine Ahnung, was letztendlich tatsächlich da hineingehört – aber eben auch nur eine Ahnung – und damit sehe ich, wofür ich mich öffnen sollte. Und dann wird auch der wieder fließen. Oh, spannend, spannend. Ähnliches gilt für die lange Geschichte – oder den kurzen Roman – über Newgrange. Da stellte sich auf einmal heraus, dass da noch der Rest einer Wunde in mir ist. Die Wunde selbst ist geheilt, das hatte ich schon vorher gewusst. Aber es ist noch so ein letzter Rest da, der mich im normalen Leben zwar nicht stört, sehr wohl aber hinderlich beim Weiterschreiben des Romans werden könnte. Und weil das so ist, war dieses Mal, als ich den Roman beendete, nicht die Leere, wie ich sie sonst meistens spüre, wenn ein Werk vollendet ist. Ich weiß allerdings auch, dass es jetzt erst einmal ein paar Wochen – oder zumindest ein paar Tage – Pause geben muss.
dankeschön. Der Roman ist zwar fertig, aber mit Kuli auf Papier. Jetzt steht erst einmal an, den Text in den Computer zu tippen - wer auch immer das macht. Zwar hatte ich eine, die das bei einem Roman gemacht hat, sie wollte aber nicht mehr tippen - hinterher wurde mir klar, dass da Themen drin waren, die sie zutiefst berührten.
Wenn ich ein e-book fertig habe, stelle ich den Hinweis hierhin. Dieser neue Roman scheint wirklich wichtig zu sein, es haben mich schon mehrere gefragt. Wenn es denn so ist, wird auch das andere fließen.
Einen guten Start in die Woche. Hier begann sie mit Sonne
Und nun geht es weiter: denn ich bin beim nächsten Roman. Ich hatte gehofft, mal ein paar Wochen Pause machen zu können, aber er ließ mich nicht
Nun also hier die Fortsetzung:
Sonntag, 06.03.2011
Nun ja, also von wegen Pause: es waren mal gerade ein paar Tage. Die Sache mit dem Manuskript lockte mich immer mehr und dann konnte ich nicht widerstehen. Nun schreibe ich also daran weiter. Seltsame Dinge haben sich gezeigt – das war wohl der Grund, warum es bisher mit diesem Roman nicht weitergegangen war. Da sind zum einen Geschichten, deren Anfang ich zwar schon geknüpft hatte, mich aber gefragt hatte, was die denn in dem Roman sollten. Sie liefen alle irgendwie nebeneinander her. Inzwischen ahne ich, was sie miteinander zu tun haben. Aber dann zeigte sich noch etwas anderes, wie ich vermute, viel Wichtigeres. Alan, der Schriftsteller in diesem Roman, spricht zu Beginn des Werkes von einem Shakespeare-Manuskript. Bisher blieb es ein wenig in der Schwebe, wie er überhaupt dazu gekommen war. Das hat sich inzwischen geklärt und es ist dies auch nicht die wirkliche Überraschung. Doch auf einmal sitzt dieser junge Mann an einem Wasserfall und die Landschaft vor ihm rollt sich „wie ein Teppich auf, der ausgeklopft werden soll“. Statt des Fußweges sieht er nun einen Karrenweg und darauf einen Reiter und nach einer Weile wird klar, dass dies eine Szene aus seinem Roman ist. Er sieht zwar häufig Bilder und er weiß, dass er dann besser schreiben kann, als wenn sich keine Bilder melden. Aber sonst kamen sie bei geschlossenen Augen. Doch dieses Mal hat er die Augen geöffnet und ihm ist fast, als gleite er in ein anderes Jahrhundert. Und jetzt kommen Erkenntnisse ins Spiel, die ich auch schon hatte. Wenn ich einen solchen Wechsel erlebe, wenn ich dafür sensibel bin, dann benötige ich auf der anderen Seite etwas, mit dem ich mich in meiner alltäglichen Welt verankern kann. Bei Alan ist es die seit Kindheit vertraute Landschaft und seine Vorliebe für gutes Essen. Das wird noch spannend, was sich da so meldet. Vor allem aber, da ich das Gefühl habe, dass bei mir noch ein paar weitere Knoten darauf warten, aufzuplatzen – nicht gelöst zu werden. Ich weiß nicht, ob das immer schon so war, und ich nur inzwischen ein besseres Gespür dafür entwickelt habe – oder ob die Zeiten einfach anders sind. Außerdem erleb ich immer mehr und häufiger, dass in und mit meinen Romanen mir Erkenntnisse kommen, die sich dann in den aktuellen Tagesnachrichten spiegeln – oder aber in Diskussionen anderer Menschen, die ich mitbekomme. Auch hier könnte ich mich fragen, bin ich dafür inzwischen sensibler oder war es früher anders. Vielleicht ist es ja sogar beides. Es ist noch zu früh, im Einzelnen etwas dazu zu schreiben – aber warten wir ab, vielleicht meldet sich ja auch noch das.
Es ist mir fast unheimlich, wie leicht auf einmal wieder der Text fließt, und noch viel mehr, wie leicht es mir gefallen ist, von der Energie des einen Romans in die des anderen zu gleiten. Auf der einen Seite Deutschland, ein Junge von vierzehn, lebt in der Nähe des Bodensees und erlebt eine Art Initiation. Auf der anderen Seite ein junger Mann, Studium in Oxford, lebt in den Cotswolds, hat sich auf Shakespeare spezialisiert und schreibt an einem eigentümlichen Roman. Er – dieser Alan – gleitet genau so leicht in die Szenen seines Romans, sieht sie sogar mit offenen Augen vor sich – und ich erlebe diese Ebene dann auch noch. Dann passierte mir gestern etwas Seltsames. Ich nahm auf einmal eine Szene wahr – ich sollte dazu sagen, dass ich gerade an einem Socken strickte – und dachte noch: nanu, meldet sich da auch noch eine Geschichte, hab ich denn immer noch nicht genug in Arbeit? Ich hielt im Stricken inne, ließ diese Szene vorbeiziehen, holte sie noch einmal zurück, blickte noch einmal genauer hin – tja und dann wurde mir klar, dass das überhaupt keine neue Geschichte war, sondern ebenfalls in den Roman gehört, oder, um ganz genau zu sein, in Alans Roman. Heute schrieb ich dann an meinem Roman weiter, die Szene meldete sich nicht wieder und doch hatte ich das Gefühl, sie lauere im Hintergrund. Und während sich Alan mit seiner Schwester oder einem Literaturagenten unterhält, hat er anscheinend diese Szene ebenfalls im Kopf, es steuert sozusagen die Art, wie er antwortet, nicht unbedingt das, was er sagt. Meine alltägliche Arbeit bleibt zum Teil liegen. Ohne großes Bedauern stelle ich fest, dass ich eigentlich die Küche putzen müsste, etwas ins Internet eingeben, aufräumen oder was es sonst so an begeisternder Arbeit in einem Haushalt gibt. Ich fange irgendetwas an, wie beispielsweise heute Mittag mit ein bisschen Gartenarbeit, nach einer halben Stunde höre ich auf, gehe ins Haus und sitze schon wieder an dem Roman. Andererseits stelle ich aber auch fest, dass Dinge, über die sich andere fürchterlich aufregen, mich nur ganz geringfügig bis überhaupt nicht tangieren. Und so ein bisschen wird mir klar, dass man einfach etwas verrückt sein muss, wenn man Romane schreibt, es geht anscheinend gar nicht anders. Es verhindert, dass man zu sehr in die alltäglichen Dramen einsteigt, weil man in einem Drama ganz anderer Art steckt. Mir will aber auch scheinen, dass es die Dinge wieder ein bisschen zurechtrückt. Es erinnert einen daran, dass man nicht der Mittelpunkt der Welt ist und vor allem nicht alleine auf dieser Welt, es zeigt sich, dass es noch ganz andere Probleme als die eigenen gibt. Habe ich nicht früher schon genau das Gleiche getan, mir Szenen ausgedacht, Dinge zu Ende gespielt – in meinem Kopf wohlgemerkt? Nur mit dem Unterschied, dass das damals immer mich betraf und ich es nicht schriftlich festhielt. Jetzt lasse ich meine Romanfiguren agieren – in gewisser Weise betrifft es mich immer noch, aber es wird nicht eins zu eins in die Texte gelangen, sondern ist sozusagen vorher durch ein Filter hindurchgepresst, mit einer anderen Farbe angestrichen und bemalt und in andere Kleider gesteckt worden. Und dann taucht natürlich die Frage auf, für wen ich denn überhaupt schreibe. Ohne Frage für mich und das zuallererst. Einfach deshalb, weil ich es brauche wie die Luft zum Atmen. Für andere? Sicherlich auch, auch wenn ich keine Ahnung habe, für wen und für wie viele. Ich fühle mich dabei in guter Gesellschaft, denn ich bin nicht die Einzige die genau so und genau deshalb schreibt – oder etwas anderes erschafft. Ich setze damit etwas gegen die scheinbar zielgerechtete Arbeitsweise unserer heutigen Gesellschaft. Und fühle mich eins mit meinem Alan. Der erzählt seinem Vater, worüber er seine Doktorarbeit schreiben will. Die Frage seines Vaters ist: „Wen interessiert das?“ Alans Antwort: „Keine Ahnung. Ich schreibe doch nicht, weil es Hinz und Kunz interessiert. Wo kämen wir bei dieser Fragestellung hin?“ Ja, das frage ich mich auch. Würde ich ständig darauf achten wollen, wen das interessiere, was ich da schreibe, käme nichts Besonderes heraus. Vor allem wäre das nicht mehr ich, die da schreibt. Und also schreibe ich weiter das, was sich da so penetrant meldet und einfach geschrieben werden will – weiß der liebe Himmel warum.
Zitat von federleicht Der liebe Himmel und ich freuen sich über Deinen Ausdruck bzw. über das, was durch Dich ausgedrückt (und ausgedruckt) werden möchte.
Freut mich. Und danke für deine Worte.
Zitat von federleichtLaß es weiter fließen
Ja, tu ich, es geht ja gar nicht anders. Wenn man so lange wie ich darauf gewartet hat, dass der Knoten platzt, dann ist es einfach nicht mehr zu stoppen. Vielleicht zur Erklärung: ich war in der Schule alles andere als gut in den Aufsätzen, ich habe sehr lange gebraucht, bis ich erkennen durfte, dass Schreiben genau mein Ding ist. Es ist, als ob ich mein Königreich endlich entdeckt hätte - ist nicht nur so als ob, es ist es tatsächlich!!! - da verlasse ich es doch nicht freiwillig.
Und schon geht es weiter :
Mittwoch, 09.03.2011
Die Seltsamkeiten nehmen kein Ende. Und diese, von der ich nun berichten will, ist besonders eigentümlich. Da schaue ich so im Internet, was es an Neuigkeiten gibt, und stolpere über eine Nachricht – im Bereich Unterhaltung – von einem Priester, der den Mörder kennt, weil der es gebeichtet hat, dann selbst dieses Mordes angeklagt wird aber nichts sagt – eben wegen des Beichtgeheimnisses. Kurz vorher hatten sich in meinem Roman Geschehnisse abgezeichnet von einem Mordgeschehen: ein Vater wird angeklagt, er weiß, dass es sein Sohn gewesen ist, doch er sagt nichts und stirbt gar für diesen – aus mir bis jetzt noch nicht vollständig erkennbaren Gründen. Heute nun wollte ich noch einmal nach der Nachricht im Internet sehen, weil sie mir doch zu seltsam erschien, so im Zusammenhang mit meinem Roman, auch wenn es nicht genau die gleiche Handlung ist – und ich finde es nicht mehr. Also suche ich nach Beichtgeheimnis und News und werde tatsächlich fündig. Da hat doch wahrhaftig ein Journalist bei der Kritik eines Fernsehstücks einen alten Film erwähnt und das war der Hinweis auf den Priester und das Beichtgeheimnis. Nun bin ich nicht der große Kinogänger, aber das ließ mir denn doch keine Ruhe. Ja, natürlich: Hitchcock – Filmbegeisterte haben es wahrscheinlich schon längst geahnt: sein Film „I confess“. Aber was um Himmels willen hat das mit meinem Roman zu tun? Ich ahne, dass es da noch um weit mehr geht, als ich bisher vermutete. Und anscheinend gibt es auch hier ein „Beichtgeheimnis“. Ist es das des Vaters und der Priester darf ihn nicht retten, oder das des Sohnes? Ich weiß es noch nicht. Du lieber Himmel, was nehmen die Ideen und Visionen für meinen neuen Roman doch für seltsame Wege, um zu mir zu kommen. Außerdem fällt mir auf, dass es in diesem neuen Roman geradezu zwei – wenn nicht noch mehr – Welten gibt. Da ist die des Schriftstellers Alan, in gewisser Weise eine heitere, wenn auch durchaus mit Komplikationen, Problemen und Hürden. Aber alles solche, die man gerne übernehmen würde, wenn das andere gleich mitgeliefert würde. Und dann eine fast schon düstere – das ist die Welt seines Romans, der in meinem eine große Rolle spielt. Es ist die Zeit Shakespeares, die Heiterkeit ist nicht leicht sondern eher derb, die Tragik geht scheinbar tiefer als die der Jetztzeit. Und die Menschen fühlen sich sehr viel mehr einem Schicksal ausgeliefert, hilflos und in dem Glauben, sie könnten nichts daran ändern. Die einen geben sich dem einfach hin, die anderen versuchen, es mit aller Macht auszutricksen. Na, das kann ja alles noch heiter werden.
Der April hat gerade begonnen und der Roman ist fertig. An einzelnen Stellen wurde es dann noch einmal ganz anders als ich dachte, aber es haben sich auch einige Szenen deutlicher gezeigt, die ich schon vermutet hatte. Noch stärker als in meinen anderen Romanen hatte ich beim Schreiben das Gefühl, ich agiere auf mehreren Ebenen. Da ist die Welt des Alans, meines Hauptdarstellers, dann die aus seinem Roman, und selbst die ist doppeldeutig, was er ebenfalls feststellt. Er kann nicht wirklich festmachen, ob die Geschichte nun in der Zeit Shakespeares – also um 1600 – oder zur „echten“ Zeit des Falstaffs – nach 1400 – spielt. Alan tröstet sich damit, dass Shakespeare auf solche Kleinigkeiten nie großen Wert gelegt hat. Aber es gibt noch eine weitere Ebene, die ich nicht so leicht an etwas erkennen kann. Selbst das spiegelt sich in Alans Roman, denn der wird nicht einfach von Alan erzählt. Es gibt da eine weitere Schicht. Und das ist dann schon fast makaber. Alans erste Idee war gewesen, einen Roman über Sir John Falstaff zu schreiben und den so wirken zu lassen, als hätte Shakespeare ihn geschrieben. Und dann entdeckt der alternde Sir John einen Galgen, an dem ein Mann baumelt, ein junger Mann, den er kennt und den er – das würde Falstaff natürlich nicht zugeben – „verführt“ hat. Noch während der dicke Ritter überlegt, warum ihm dieser Gehängte so bekannt vorkommt, kommt ein Mann des Weges, ein noch recht junger Mann – so im Alter von Alan (!) – der sich Oliver Marlowe nennt. Er erzählt Sir John die Geschichte des gehängten Rogers – und damit natürlich auch den Lesern von Alans Roman –: das ist die Vater-Sohn-Geschichte, die Alan überhaupt zum Fortgang seines Romans inspirierte – und jetzt fragt mich bitte nicht, woher sie mir gekommen ist, ich weiß es nämlich nicht. Und außerdem wurde mir erst gegen Ende des Romans bewusst, dass während der gesamten Erzählung – also im Grunde in Alans kompletten Roman – die zwei Männer unter dem Galgen mit der baumelnden Leiche sitzen. Fast am Ende meines Romans taucht dieser Oliver Marlowe in Alans Bibliothek auf und unterhält sich mit diesem – das heißt, Alan empfindet das so, als er nach einer Weile genauer hinsieht, ist da keiner und er fragt sich, ob nun dieser Mann da war oder nicht. Als er allerdings eine Zeichnung seines Vaters sieht, die ihn darstellt, mit einem Spitzenkragen wie zur Zeit der ersten Elisabeth, da murmelt Alan, „Oliver Marlowe“ und als sein Vater wissen will, wer das ist, sagt Alan: „mein alter ego“. Nun ja, kommt mir Alan nicht manchmal wie mein Alter Ego vor? Und dieser Oliver Marlowe faszinierte auch mich. Selbst mir blieb verborgen, wer er denn nun genau ist, am ehesten lässt er sich mit seinen eigenen Worten beschreiben, den Worten, die er Alan sagt, als der wissen will, wer er ist: „Du hast mir doch schon einen Namen verpasst. Der gefällt mir übrigens ausgesprochen gut. Aber das ist es nicht, was du wissen willst, nicht wahr? Hm, ich vereinige in mir mehrere Persönlichkeiten. Eine ist Christopher Marlowe, der sehr glücklich ist, dass du mir einen anderen Vornamen gegeben hast.“ „Ich wusste doch, dass du nicht einfach er bist.“ „Eben. Denn ich habe auch etwas von dem guten William S. in mir. Von diesen beiden rührt meine gebildete Seite her – zwei so großartige Dichter in einer Person vereint, das ist schon etwas, das nicht jeder vorweisen kann. Darüber hinaus bin ich noch mehr. Sieh in mir so eine Art Schicksalsgöttin – hm, eigentlich müsste ich Gott sagen, aber die Menschen bilden sich ein, so etwas Unnennbares, nicht Erklärbares könne nur eine Frau sein.“ Der Mann lachte leise. „Dann ist aber auch etwas von dir in mir oder von mir in dir, ganz wie du es ausdrücken möchtest. Nun ja – der Rest ist Schweigen.“ Ich spüre, was Oliver Marlowe ausmacht, wollte ich es im Einzelnen ausführen, würde ich diese Figur zerstören – und wieder hat er es wundervoll schon selbst im Roman ausgeführt, da spricht er über die Liebe und die Neugierde des Schriftstellers: „Das ist die Neugierde, die letztendlich jeden Dichter treibt. Neugierde auf das Wesen der Menschen, Wissbegier auf die Gesetzmäßigkeiten des Schicksals. Reine Neugier, ohne jegliche Menschenliebe seziert nur, du fällst in den Wahn, alles analysieren zu können und merkst dann nicht, dass du an einem toten Objekt geforscht hast. Jetzt hast du zwar den Körper in allen Einzelheiten untersucht, aber du hat keine Ahnung, was Leben ist. Deine Liebe ist deine Rettung.“ Danke Oliver Marlowe – der du sowohl Alans als auch mein Alter Ego bist.
Ob es dieses Mal eine Pause gibt? Es wäre an der Zeit, meine Werke mal in den Computer einzutippen und zu korrigieren - ganr zu schweigen von anderen Arbeiten, die alle liegen geblieben sind.
Es war eine seltsame „Zeit danach“. Sonst habe ich nach Beendigung eines Romans immer so ein Gefühl von Leere, von – was kommt denn jetzt, kann überhaupt noch etwas Besseres kommen? Dieses Mal war es ganz still in mir, so still, dass ich ohne darüber nachzudenken Fenster geputzt habe. Wahrscheinlich war es das Beste, was ich tun konnte. So wie sich mein Alan in der Landschaft der Cotswolds verankert, tue ich es oft mit Hausarbeit. Ich liebe sie nicht unbedingt, aber sie hilft mir, wieder hier im Alltag anzukommen. Und dann geschah etwas ganz Eigentümliches. Ich hatte beschlossen, abends Musik zu hören – meine ganz spezielle klassische Musik, nämlich Schubert. Doch ehe ich die genießen konnte, rief ein Papier auf meinem Tisch ‚hier’. Eine vor langer Zeit begonnene Novelle, ihr fehlte nur noch der Abschluss. Und dann schrieb ich den in einem Rutsch. Dies ist eine so ganz andere Geschichte als es der Roman war. Zwar kann ich auch in ihr nicht meine Liebe für Literatur und klassische Musik verleugnen, doch der Ton ist fast schon schnoddrig – zumindest für meine Verhältnisse. Sie heißt: Begegnung mit Richard. Da geht ein schwarzgewandeter Mann zu einem Psychotherapeuten – übrigens in Kölns Innenstadt. Er nennt sich Richard Noman und gibt als Geburtsjahr den 17.02.1859 an. Und Horst, der Arzt, weiß nicht was er davon halten soll. Seiner Freundin Patrizia – ebenfalls Psychotherapeutin – gesteht er, dass er sich gefoppt fühlte. Er kann mit diesem Patienten nichts anfangen, der selbst die Diagnose stellt – ‚ich habe eine Art Identitätskrise’ – und sonst nahezu nichts von sich preisgeben will. Als Horst ihn fragt, was er denn von ihm erwarte, sagte der Schwarze: ‚Aufmerksamkeit’. Die nächsten Seiten sind mit den privaten Aktivitäten von Horst und Patrizia gefüllt, vor allem Besuche diverser Theater, Unterhaltungen mit Schauspielern und Sängern, und mit einem Urlaub in Irland. Und dazwischen immer wieder wie ein Störfaktor jener Richard. Soweit stand die Geschichte. Der Rest ist schnell erzählt: Horst schickt Richard in seiner Verzweiflung zu Patrizia, obwohl er deren Vorgehensweise für unprofessionell und unstrukturiert hält. Die weiß zuerst auch nicht, was sie von diesem Richard halten soll, bittet dann aber ihren inneren Heiler, ihr zu helfen – so eine von den Methoden, von denen Horst nichts hält. Und dann fragt sie diesen Mann, ob es um Amelia gehe. Doch der verneint. Oder darum, dass sein Umfeld nicht mehr stimme – und er stimmt zu und erzählt tatsächlich etwas mehr. Sie wundert sich hinterher nur, was sie da geredet haben. In der letzten Szene besuchen Patrizia und Horst mit Freunden eine Premiere von Verdis Maskenball in einer dieser modernen Inszenierungen: Großraumbüro, alles schwarz und grau. Als Oscar ankündigt: ‚Der Graf kommt’, muss Patrizia fast lachen, weil es so unpassend erscheint. Doch dann staunt sie nur noch, als der Graf tatsächlich die Bühne betritt. Richard – natürlich, wieso war sie da nicht gleich drauf gekommen. In der Pause schaut sie im Programmheft nach. Uraufführung des Maskenballs war der 17.02.1859. Und es bleibt dem Leser überlassen, wer dieser Richard denn nun wirklich war. Patrizias Fazit ist ein anderes: Horst hat nichts mitbekommen und ihr ist klar geworden, dass sie sich von diesem Mann trennen muss. Auf die Idee zu dieser Geschichte haben mich Bilder einer Aufführung des Maskenballs gebracht. Ich liebe diese Oper und ginge so gerne mal ins Theater, sie zu sehen. Aber die Inszenierungen schrecken mich ab. Es scheint in Deutschland keine Bühne zu geben, die nicht alles grau und schwarz und kalt bei dieser Oper macht. Also muss ich sie mir weiterhin auf CD anhören. Aber diese Geschichte konnte ich mir nicht verkneifen.
Jetzt habe ich es doch getan, obgleich ich immer behauptet habe, das liege mir nicht. Es ist ein Experiment und ich weiß noch nicht, wo es mich hinführt: ich habe gemordet – auf dem Papier natürlich. In meinem letzten Roman – Die Sache mit dem Manuskript – schreibt Alan unter Pseudonym (Jeremy Pinter) Kriminalromane. Und irgendwie juckte es mich, genau diese, die ja eigentlich fiktiv sind, zu schreiben, unter dem Namen Jeremy Pinter. Für den ersten Roman hatte ich mir schon ein paar Einzelheiten einfallen lassen, weil sie darin Erwähnung finden. Und dann wollte es weiter ausgebaut werden. Ein kleines Dörfchen in den Cotswolds Oxfordshires mit Namen Bedbury; noch verschlafener als Chipping Linton und doch irgendwie damit verwandt. Jeder kennt jeden, es werden Unmengen Tee getrunken – soll in England immer noch so sein. Dann ist da ein älterer Mann namens Humphrey Green, der zwei Leidenschaften hegt: seinen Garten und ungeklärte Morde aus der Zeitung in seinem Kopf zu einem Ende, sprich einer Lösung zu bringen. Bei beidem unterstützt ihn ein Junge aus dem Ort, Bill, vierzehn Jahre alt, Sohn eines Literaturprofessors in Oxford und Internatsschüler in Rugby. Gegenüber von Mr. Green wohnt Miss Isabell Doharty, Irin und Rivalin im Club der Gartenfreunde. Und dann bricht die gemeine Welt in Bedbury ein. Im Kopierladen von Hamish Crawley findet der Besitzer statt des Papiers Leichenteile. Kurz darauf stolpert die Besitzerin eines Fudge-Geschäftes über einen männlichen Körper hinter der Theke und der Metzger bemerkt im Kühlhaus an einem Haken einen Körper, der keinem Tier sondern einem Mann gehört. Soweit ist die Planung gediehen. Ich habe schon eine Ahnung, wer die drei Toten sind, ich kenne auch den Mörder. Aber letztendlich geht es sehr viel mehr um diesen kleinen Ort, das andere ist eher Beiwerk, ist die Posaune, die den Ort aus seinem Dornrösschenschlaf weckt. Was das noch alles werden soll? Und das witzigste ist: es macht mir unheimlichen Spaß, diese skurrilen Figuren zu zeichnen. Kleine Kämpfe zwischen Miss Doharty und Mr. Green zu komponieren (sie ist neidisch, dass im Herbst sein Kürbis größer war). Die dumpfe Verzweiflung des Dorfpolizisten nachzuzeichnen, der noch nach dem Mord sagt: Hier schließt doch kein Mensch sein Haus ab, hier passiert doch nie was, und der Besitzer des Inns antwortet: Doch Dick, hier ist ein Mord passiert (das ist nach dem ersten). Na, was muss ich da in mir entdecken? Allerdings kann ich auch so ein paar andere Einfälle nicht wegdrücken. Das Inn nennt sich Broars Head – das ist die Kneipe in London, in die immer Sir John Falstaff gegangen ist – laut Shakespeare. Dabei ist mir was Hübsches aufgefallen. Die Übersetzung ins Deutsche heißt – und das nicht nur von einem Übersetzer: Zum wilden Schweinskopf. Als ob der Kopf wild sei. Warum nicht Zum Eberkopf, das wäre nämlich die passendere Übersetzung. Und natürlich spielen auch die Colleges von Oxford wieder eine Rolle – wie auch anders, wenn der Roman von Alan sein soll. Und das ist meine Entschuldigung: der Roman ist ja gar nicht von mir, der ist von Jeremy Pinter, und das ist das Pseudonym von Alan Thornby und nicht von Ursula Zauns – oder?
Es ist ja nicht der erste Mord - auf Papier – den ich begangen habe. Aber der andere hatte sich geradezu aufgedrängt und mir blieb nichts anders übrig, als darüber zu schreiben. Doch den hier habe ich geplant und dann sehr bewusst begonnen. Er macht mir immer noch Spaß und die ersten Kapitel sind geschrieben - das Wochenende war damit ausgefüllt und kaum Zeit für etwas anders. Und es zeigt sich noch mehr: es ist nicht nur die heile Welt von Bedbury, die mit einer anderen kollidiert. Auch die Polizisten sind anders, als man das meistens in Krimis liest. Da ist nicht eine Lichtgestalt – Inspektor, Detektiv oder wer auch immer. Es sind mehrere und die arbeiten im Team, zwei in Oxford, zwei vom Yard in London und der Dorfpolizist. Die Leute im Dorf (Mr. Green, Bill, Miss Doharty, der Pfarrer, der Dorfpolizist Dick), klären nicht auf sondern spielen die Möglichkeiten durch. Gibt es Hinweise, so reicht Dick sie weiter und umgekehrt erzählt er den anderen, was er weiß. Und es geht nicht darum, den Täter zu finden - es ist keiner aus dem Dorf, soviel verrate ich - sondern mehr, an die Hintergründe heranzukommen. Und an dieser Entwicklung lasse ich den Leser teilnehmen. Die Welt des Mörders und der Ermordeten ist so eine ganz andere als die der Dorfbewohner. Und ich wundere mich, was sich da Bahn gebrochen hat. Was ich immer noch nicht ganz genau weiß, ist das Motiv, obgleich ich so eine Ahnung habe. Der Täter wurde auch schon ganz kurz geschildert, allerdings nicht beim Namen genannt. Diese kurze Szene zeigt ihn in seinem Appartement, mehrere Flaschen mit Alkoholika neben sich und er resümiert, warum er wen umgebracht hat. Zum Schluss sagt er - 'marsch, geht, ich habe euch ausgelöscht, es gibt euch nicht mehr, geht endlich!' Ich wage zu bezweifeln, dass sie tatsächlich gehen. Und jetzt kommt als nächstes wieder heile Welt Bedbury, die ist natürlich nicht mehr ganz so heil. Miss Doharty beispielsweise klagt, sie habe geglaubt, sie sei in ein friedliches Land gezogen. Mr. Green, auf einmal auffallend freundlich zu ihr, gibt ihr zu bedenken, dass friedlich immer nur relativ ist. Es sei immer noch friedlicher als London oder das, wo sie herkommt (Nordirland - sage ich aber im Buch erst an anderer Stelle). Lustigerweise kommt ausgerechnet der Schriftsteller Ross Donovan, der Krimis verfasst, nicht recht weiter im Durchleuchten der Mordfälle. Das hat aber damit zu tun, dass er seine Thriller in Amerika spielen lässt und sein Agent eher mit der Waffe arbeitet als mit seinem Gehirn. Nun, bei diesem echten Fall, fühlt er sich überfordert – Mr. Donovan meine ich. Den Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen – pardon, es ist natürlich Jeremy Pointer, der sich den nicht verkneifen konnte.
Donnerstag, 14.04.2011
Das war ja nun jetzt eine sehr eigentümliche Geschichte. Der Kriminalroman ist kurz geraten – und er ist fertig. Gerade mal fünf Tage habe ich gebraucht für die später wahrscheinlich knapp 100 Seiten. Sehr bald zeigte sich auch das Motiv – und es ist eines, das mit der Welt der Vier – Mörder und Ermordete – zu tun hat. Ich hätte es mir ja denken können. Und zum Schluss kommt dann noch so eine Art Knalleffekt, der sich fast automatisch aus dem Ablauf ergibt. Mir ist aufgefallen, dass diese Geschichte geradewegs fortschreitet – da gibt es kaum Umwege, nur wenige Beschreibungen, die den Gang der Handlung unterbrechen. Immer wenn ich etwas ausführlicher werden wollte, sträubte es sich, also ließ ich es. Mir kommt es fast wie diese asiatischen Zeichnungen vor, gerade nur so viele Striche, dass man weiß, worum es geht. Das heißt nun nicht, dass darin nicht kleine Episoden sind, die anscheinend nichts mit dem Mordfall zu tun haben. Die betreffen aber immer die Dorfbewohner. Aber das hält sich – finde ich – ziemlich in Grenzen. Und ganz versteckt hat es dann doch etwas mit der Geschichte zu tun, das ist allerdings an manchen Stellen sehr verborgen. An anderen Stellen wird es offensichtlich, dass da ein Hinweis ist. Wie beispielsweise Miss Penelope Sturry. Sie ist Künstlerin – Bildhauerin – und wohnt neben dem schriftstellernden Mr. Donovan – der im Übrigen ein Auge auf ihr Haus geworfen hatte, doch sie war ihm zuvorgekommen. Ich wunderte mich anfangs, warum die in meine Geschichte wollte. Doch wie sich dann herausstellt, hat sie einen der Ermordeten am Flughafen Heathrow kennen gelernt – ein paar Tage vor dem Mord. Und der hatte sie regelrecht angebaggert. Ihr Resümee: Bin ich froh, dass ich auf meinen Bauch gehört habe. Wäre ich mit ihm ins Bett gegangen, hätte ich auch noch die Leiche identifizieren müssen. Es hat mal wieder unheimlichen Spaß gemacht und dieses Mal beeindruckte mich vor allem die Wandlung der Hauptfiguren, nämlich im Verhältnis zueinander. Das wird am deutlichsten bei Mr. Green und Miss Doahrty. Die beiden sind mir so richtig ans Herz gewachsen. Und ich schließe nicht aus, dass es noch weitere Fälle in Bedbury geben wird. Alan als Jeremy Pinter hat vier Romane geschrieben. Wer weiß, wer weiß?